Sizilien

Mensch und Natur am Ätna

Naturschutz und Umweltbildung für ein Biosphärenreservat

Die Manfred-Hermsen-Stiftung arbeitet auf Sizilien fast ausschließlich mit dem lokalen Partner Giacche Verdi Bronte, einer ökologisch ausgerichteten Freizeitreiter-Organisation, zusammen. Durch unsere Unterstützung konnte sich Giacche Verdi Bronte als eine aktive Naturschutzorganisation der Region etablieren und diverse Projekte umsetzen, wie z.B. die Rettung der tausendjährigen Eichen des Monte Egitto.

Unser Sizilien-Engagement begann 2005 mit einem großen Umweltbildungsprojekt und Öffentlichkeitsarbeit zur Wildkatze am Ätna. Ziel war die Bewahrung des Wildkatzenhabitats in den Wäldern des Naturparks Ätna, die unter dem Druck geplanter neuer touristischer Infrastruktur standen. Gemeinsam mit vielen NGOs und dem Naturpark konnten wir den Bau der Skipisten bis heute verhindern. Der Naturpark Ätna und die Universität Catania wurden durch uns angeregt, eine erste wissenschaftliche Studie zur Präsenz der Wildkatze durchzuführen, die wir durch Befragen von Landwirten nach Sichtung des Tieres ergänzten.

Während dieses Projektes wurden wir auf den Wert der noch kleinbäuerlich strukturierten Flusstäler des Simeto und Alcantara aufmerksam, die im Westen und Norden die geologische Grenze zum Ätna und einen Ökokorridor zu den Wäldern des Nebrodi-Gebirges bilden. Die Wildkatze und andere Tiere nutzen diese strukturreichen Agrar- und Flusslandschaften zur Migration. Da, wie überall in Europa, immer mehr kleine Höfe zu Gunsten großer, meist intensiv arbeitender Agrarbetriebe aufgeben, fördern wir seit 2009 den Erhalt der traditionellen Wirtschaftsweise, z.B. durch eine Vermarktungshilfe hochwertigen Olivenöls. Die dafür ausgewählten kleinen Höfe sind Garanten einer artenreichen Agrarlandschaft und verpflichten sich in einem Kriterienkatalog zur guten Naturschutz-Praxis.

2009 entstand die Idee, die beiden Naturparks Ätna und Nebrodi durch ein Biosphärenreservat „Terre della Biosfera – le Valli fluviali dell’Etna“ zu verbinden, welche wir seitdem immer mehr konkretisieren und über einen zu diesem Zweck gegründeten Förderverein politisch vertreten. Ziele sind insbesondere der bessere Schutz der Flüsse, der Erhalt dieser strukturreichen Landschaft und die Förderung des Bio-Anbaus auf Agrarflächen. Dafür wollen wir über Projekte der Umweltbildung, Partnervereinbarungen mit Höfen (eine Art Zertifizierung empfehlenswerter Höfe und ihrer Produkte), touristische Leitfäden Sensibilisierung der Bevölkerung den ökologischen Wert der Region hervorheben und die Möglichkeit einer damit verbundenen, nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung aufzeigen. Es sind in der Planungszeit unter Einbeziehung vieler NGOs und Stakeholder bis heute eine Machbarkeitsstudie und das Dossier für die Kandidatur bei der UNESCO (auf Italienisch und Englisch) entstanden. Letzteres wird derzeit vom Umweltministerium in Rom geprüft (Stand Juli 2020).

Zonierung des geplanten Biosphärenreservats
Zonierung des geplanten Biosphärenreservats

Seit 2010 bereichern inzwischen rund 160 Volontäre und Praktikanten unsere Projekte, insbesondere die Umweltbildung. Wir entsenden sie über den auch bei Giacche Verdi etablierten Europäischen Freiwilligendienst oder über das studentische ERASMUS-Programm und setzen sie vor allem in Umweltbildungsprojekten ein. Auf einige Bachelor- und Masterarbeiten zu Themen des geplanten Biosphärenreservates sind durch diesen Auslandseinsatz entstanden.

Unsere Umweltbildungsaktivitäten sind seit 2010 fester Bestandteil der Arbeit von Giacche Verdi und einmalig in der Region: Jedes Jahr nehmen im gesamten Gebiet der "Terre della Biosfera" 1-5 Tausend Schüler*innen daran teil - insgesamt wurden bis heute rund 20.000 Kinder sowie ihre Lehrkräfte erreicht. Themen sind bis heute Flüsse (Projekt „Fiumi Puliti“),Wälder (EUKI-Projekt „Boschi per la Biosfera“), Landwirtschaft, Gartenbau und Ernährung („Mille semi per mille bambini“ und das EUKI-Projekt „Frutti per la Biosfera“) sowie ab Herbst 2020 Bienen und Wildkräuter („Api per la Biosfera“). Allen diesen Projekten gemeinsam ist der zweiteilige Aufbau: Es findet eine Lehrveranstaltung im Klassenzimmer statt, bei der sich auch die Volontäre einbringen und einen passenden Aspekt ihres Heimatlandes vorstellen, und eine Exkursion oder praktische Aktivität. Die Ausflüge gehen an Flüsse, in den Wald und auf Bio-Bauernhöfe. Die praktischen Aktivitäten finden auf dem Schulhof oder in einem Stadtpark statt. Dadurch wurden in 9 Schulen dauerhaft Gemüsegärten etabliert und es entstanden in unserer Projektregion drei Umweltbildungsparks (in Bronte der „Bosco Brignolo“, in Mascali der „Blue Garden Bio-Parco“ und in Piedimonte Etneo ein zentraler Park). In Santa Domenica Vittoria bildete sich ein Kinderklub („Piccole Guide“), der fortan von Mitarbeitern des Naturparks Nebrodi und uns regelmäßig betreut wird. Gemeinsam mit diesen Kindern entwickelten wir den Lehrpfad „Bufo bufo“, der diverse Naturschutz- und Nachhaltigkeitsthemen kindgerecht aus Sicht der Erdkröte darstellt, die dort im Frühjahr auch laichend zu beobachten ist.

Seit November 2019 befassen wir uns eingehender mit der guten ökologischen Praxis in der Landwirtschaft sowie den ökonomischen Bedürfnissen derjenigen (Klein-)Bauern, die naturnah und teils noch sehr traditionell wirtschaften. In einer Studie, in die neben unserem Partner Giacche Verdi auch die Universität Catania sowie der italienische Vogelschutzbund Lipu und der deutsche NABU eingebunden sind, werden gut 100 Bauern befragt. Die Ergebnisse werden Ende 2020 ausgewertet und Empfehlungen an alle Beteiligten auf Sizilien ausgesprochen: Die Bauern selber, die Gemeinden und vor allem die Region Sizilien, welche durch die Auslegung der Vorgaben aus der Europäischen Agrarpolitik in Form von Förderprogrammen und Auflagen die Zukunft der Landwirtschaft Siziliens maßgeblich bestimmt.